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Antonia Klomp erzählt

     
 

�Für mich war das ein halbes Leben...�



Frau Toni erinnert sich an die 50 Jahre russischer Seelsorge
in der Röntgenstraße (1945-1995)

Nach dem Krieg kamen viele Flüchtlinge aus Osteuropa nach Deutschland. Von der amerikanischen Besatzungsmacht in München wurden sie oft in leerstehenden Villen von jüdischen Eigentümern untergebracht. In Bogenhausen z.B. in der Röntgenstraße, der Sternwartstraße und der Mauerkirchnerstraße. Daneben gab es die Flüchtlingslager, z.B. in der Hanauerstraße in Feldmoching.

In die Röntgenstraße 5 kam eine Gruppe Kosaken mit dem Bischof Nikolaj Avtonomov. Die ersten Priester waren niederländische Kapuziner: P. Zacharias und P. Methodius. Sie hatten eine russische Gemeinde in Narwa, mußten aber am Kriegsende Estland verlassen. Nachdem die Jesuiten die Gemeinde übernommen haben, kehrten sie heim und gründeten kleine Gemeinden in Amsterdam, Rotterdam und Den Haag (die es übrigens noch immer gibt). Viele niederländische Zwangsarbeiter hatten in Deutschland russische und ukrainische Frauen geheiratet.

1956 war ich in Cureglia, wo ich Pater Karl Ott mit seiner Gruppe Kindern aus den Lagern kennenlernte. So kam ich im November 1956 in die Röntgenstraße, zeitgleich mit der Familie Buhai. Außer Pater Karl waren dort auch: Pater Johannes Groetschel und under Kanadier Pater Marcel Ménard. Der letztere war auch noch Militärkaplan bei den Amerikanern und erhielt dort später eine Festanstellung mit Wohnung. Eine Folge davon war, daß wir jahrelang von amerikanischer Hilfe gelebt haben, besonders Kleidung. Dazu gab es von der Caritas: Käse, Butter, Milchpulver, Eierpulver, alles in großen Blechdosen. Im großen Keller wurde das jede Woche ausgeteilt. War das ein Betrieb!!! Anstelle von Pater Ménard kam Pater Janez Sodja (Slowenec) aus Meudon (Russisches Internat). Er starb im 1982 an Krebs. Pater Groetschel wurde Mitredakteur bei dem Verlag Herder. Später kam er nochmal zurück, aber seine Gesundheit wurde so schlecht, daß er zuerst zur Pflege nach Münster, später dann nach Berlin geschickt wurde (er gehörte zur Ostdeutschen Provinz), wo er starb.

In der Röntgenstraße ging das Leben weiter. Es kamen andere Bewohner, die alten starben, die jungen bekamen Wohnungen: Siedlungen in Ludwigsfeld, in der Ingolstädterstrasse und in Neu Perlach. Es kamen Rußlanddeutsche aus Kasachstan, Usbekistan, russische Frauen verheiratet mit Studenten aus dem Irak, aus Iran und aus Afrika (Lomonossow Universität) usw., oder Musikstudenten von der Musikhochschule oder Richard-Strauss-Konservatorium, willkommene Hilfe für den Chor!!

Der Keller war Treffpunkt der Jugend geworden, wo sie jede Woche zusammen kam. Während in Hl. Blut ein neues Pfarrzentrum gebaut wurde, haben wir da auch (ungefähr 1,5 J.) den Kindergarten einquartiert. Die Sommerferien in der Schweiz waren jedes Jahr ein Höhepunkt für die Kinder. Am Anfang war es Cureglia (Mädchen) und Bigorio (Buben). Später ging es nach Cadro, Porza, Lanone und Rovio. Die Kinder von damals fahren noch jedes Jahr mit ihren eigenen Kindern dorthin und sind jetzt die Betreuer.

Alles in Allem haben wir eine bewegte Zeit gehabt. Wieviele Taufen, Trauungen, Beerdigungen in 50 Jahren! Ich kenne alle Friedhöfe in München und Umgebung!

So viele Erinnerungen! Man könnte tatsächlich ein Buch schreiben über diese 50 Jahre! Für mich war es ein halbes Leben.